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Mündige Patient:innen (über-)leben länger

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Patient:in: Substantiv, eine Person, die ärztlich behandelt wird. Charakter: ein teilnahmsloses, devotes Wesen ohne Meinung, Spielball der eigenen Erkrankung, schweigt gerne und ist schüchtern, will nicht zu viel Information und schluckt lieber die bittere Pille der fehlenden Handlungskompetenz. Klingt dramatisch? Ist es auch.

Martina Hagspiegel

Patient Advocate, Herausgeberin & Chefredakteurin «Kurvenkratzer»

Full stop, viele Jahre später, wir sind im Jetzt. Glücklicherweise sind Patient:innen oft nicht mehr das uninformierte Exemplar von einst, das ohne zu murren tut, was die ärztliche Beratung sagt. Wir sind aktiv geworden, wollen mitreden, verstehen, mitentscheiden, Verantwortung für unseren Körper tragen. Auch das klingt fremd? Ist es zu Beginn auch, denn Patient:in sein muss erst gelernt werden. Es ist schon fast wie ein neuer Job. Aber Ehrgeiz zahlt sich hier aus, denn es geht um viel!
Mündig zu sein, bedeutet nicht nur, ständig Dr. Google zu befragen und auf eine halbwegs gute Antwort zu hoffen. Google weiss zwar allerlei, aber die Suchmaschine spuckt nur aus, was sie gefüttert bekam. Ein Medizinstudium gehört da nicht dazu. Um aus der Informationsflut und den widersprüchlichen Inhalten valide Inhalte herauszufiltern, braucht es schon einiges an Kompetenz. Und die gilt es bald nach Diagnose zu erlangen. Ein Mündigkeitsprozess beginnt mit einer oder meistens vielen Fragen an das medizinische Personal. Mündigkeit heisst, Bescheid zu wissen, aktiv zur Tat zu schreiten und sich nicht naiv dem Schicksal zu ergeben. Patient:innen, die ungeniert fragen, haben gute Karten, ihren Behandlungsverlauf mitgestalten zu können.

Du, Ärztin/Arzt, Entscheidung
Mündigkeit bedeutet das Verstehen deiner persönlichen medizinischen Information, um in Anleitung mit dem ärztlichen Personal deine individuellen gesundheits- und krankheitsbezogenen Entscheidungen treffen zu können. Mündige Patient:innen verstehen, was mit ihnen passieren soll, und können ein waches Auge auf ihren Behandlungsverlauf haben. Es geht sogar noch weiter: Mündige Patient:innen haben eine höhere Therapietreue, weil sie durch die Informationsflut durchgeschwommen sind und nun mit klarem Blick sehen.

Rezept für Mündigkeit
Die optimale Mixtur, die aus der Patient:innenmündigkeit entsteht, enthält zwei Zutaten: Eine ist Gesundheitskompetenz. Die beginnt nicht nur mit verbesserter Internetrecherche, sondern auch mit dem Verantwortungsbewusstsein für den eigenen Körper. Zum anderen die Vorbereitung auf das medizinische Gespräch: Eine Liste der offenen Fragen und der vorhandenen Symptome ist notwendig, um effizient und strukturiert agieren zu können. So können medizinische Entscheidungen idealerweise auf Augenhöhe mit dem ärztlichen Personal gefällt werden.

Gesundheitskompetenz für alle!
Sie ist das Wissen, die Motivation und die Fähigkeit von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und im Alltag anzuwenden. Derzeit ist Gesundheitskompetenz in unserer Gesellschaft ein Aspekt, den wir faulerweise meist den Mediziner:innen überlassen. Genau deswegen muss sie Teil des Bildungsauftrags werden, idealerweise schon ab dem Kindergartenalter. Altersadäquat verpackt könnten umfangreiche gesundheits- und krankheitsbezogene Themen in der formalen Bildung ihren Platz finden. Nur so kann ein systemischer kultureller Wandel hin zu mehr Eigenverantwortung für den eigenen Körper gelingen und uns alle mit einem längeren Leben beschenken.

Kurvenkratzer

Weil Krebs ein Thema ist und kein Tabu. Kurvenkratzer ist ein Onlinemagazin, das sich mit dem Lebensumstand Krebs beschäftigt. Kurvenkratzer ist bunt, frech und humorvoll. Mit einer gewissen Leichtigkeit trotz der Themenschwere. Mit Wissen und Erfahrung aus der Praxis. Mit Fokus auf Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz. 
Für Patient:innen, ihre Angehörigen und medizinisches Personal.

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